Allerdings ist der Hauch von festlicher Stimmung trügerisch. Die zahlreich erschienenen Menschen sind nicht gekommen, um an diesem Nachmittag des vierten Oktobers die Mittagspause in geselliger Runde im Freien zu genießen. Anlass dieser Zusammenkunft am Standort des Harzklinikums in Wernigerode ist durchaus ein ernster. „Wir möchten mit dieser Veranstaltung heute einer Stimmung entgegenwirken, die von Unsicherheit und einer gewissen Unzufriedenheit geprägt ist“, eröffnet Sebastian Kattner, Geschäftsbereichsleiter Personal am Harzklinikum, „dies tun wir am allerbesten, indem wir durch verifizierte Fakten Transparenz schaffen.“
Gleich zu Beginn betont Sebastian Kattner, dass Wernigerode ein zentraler und unverzichtbarer Standort des Klinikums ist. Der Tenor dieser Aussage wird im Übrigen uneingeschränkt von der Klinikleitung, die voll und ganz hinter dem Standort steht, geteilt. Um sämtlichen Gerüchten hinsichtlich einer möglichen Abwicklung des Standorts und eine durch Unsicherheiten verbundene Dynamisierung ins Negative von vornherein eine Absage zu erteilen, skizziert Sebastian Kattner die Ziele, die mit dieser Veranstaltung verbunden sind: Eine durch konkrete Planungen gestaltete Zukunft für Wernigerode transparent machen und durch die Möglichkeit des Dialogs eine positive Mentalität aufzubauen.
Probleme nicht beschreiben, sondern lösen!
Zum Auftakt ergreift der ärztliche Direktor Dr. Matthias Voth das Mikrofon. Das Gebot der Stunde sei es nun, die somatischen Standorte Wernigerode und Quedlinburg den politischen Gegebenheiten anzupassen, betont er. Die Herausforderungen seien enorm, gerade deshalb sei es wichtig, zu begreifen, dass beide Standorte nur in ihrer Gesamtheit vital seien. Jeder alleine für sich werde die aktuellen Herausforderungen nicht bewältigen können. Entsprechend beschreibt Dr. Matthias Voth künftige Linien der Ressourcenbündelung und institutionellen „Aufgestaltung der Standorte“, beispielsweise durch wegweisende Personalentscheidungen. „Die kommenden Veränderungen sind notwendig und dafür bitte ich um Ihr Verständnis“, appelliert er an die Zuhörenden, „deshalb sollten wir nicht an den Spielfeldgrenzen diskutieren und die Probleme lediglich beschreiben. Wir müssen sie jetzt lösen.“
Von Sebastian Kattner nach einem Wunsch befragt, antwortet Dr. Matthias Voth: „Ich würde mir wünschen, dass wir in Zukunft vom Harzklinikum sprechen und nicht mehr von Standorten. Die Frage lautet doch: Wie kümmern wir uns um die reale Konkurrenz? Dafür müssen wir uns als Einheit begreifen.“ Und nicht als interne Konkurrenten verschiedener Standorte – möchte man als Zuhörender geradezu ergänzen.
Digitalisierung erhöht die Patientensicherheit
Einen wesentlichen Faktor, der künftige Arbeitsabläufe signifikant beeinflussen und verändern wird, beschreibt Chefarzt PD. Dr. Christoph Henkenberens, als er in seinem Redebeitrag die Notwendigkeit des Ausbaus digitaler Vernetzung im Klinikum deutlich macht. „Abläufe simultan und nicht, wie beim Papier gar nicht anders möglich, seriell zu gestalten, ist nicht nur etwas, das vom Gesetzgeber gefordert wird, sondern auch ein Gebot der Stunde, das künftig die Patientensicherheit erhöhen wird“, beschreibt er die Motivation, die Digitalisierung voranzutreiben. „Natürlich wird es hierbei an der ein oder anderen Stelle erst einmal ruckeln, aber tatsächlich haben wir keine Alternative. Zumal auch ein Bedarf seitens der Abteilungen besteht.“ Als positives Beispiel benennt er seine Klinik für Strahlentherapie, die als erstes umfänglich digitalisiert wurde.
„Wir schätzen den freundlichen Umgang und die gute Kommunikation.“
„Niemand mag Streber“, eröffnet schließlich Schwester Annika Heimburg ihren Redebeitrag, „trotzdem möchte ich hier einmal betonen, dass ich sehr stolz auf unsere Station und unser Team bin.“ Natürlich sehe auch sie viele Dinge kritisch, dennoch habe sie Spaß. Und dafür gibt es handfeste Gründe. „Wir schätzen den freundlichen Umgang miteinander und die gute Kommunikation untereinander.“ Monatliche Teambesprechungen, regelmäßige Mitarbeiter Schulungen und ein modernes und freundliches Umfeld seien die Basis dafür, dass trotz aller alltagsbedingten Widrigkeiten die Grundstimmung eine positive sei. „Neurologie ist mehr als Pflege“, betont Annika Heimburg dann auch, „die Qualität, die wir erbringen ist das Produkt eines multiprofessionell arbeitenden Teams.“ Schließlich gelte es, das Vertrauen, das die Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige schenken, nicht zu enttäuschen. „Die größte Stärke des Teams ist es, dass jeder und jedem klar ist, dass die Patienten im Mittelpunkt stehen.“ Viel Applaus gibt es für diese Sätze aus dem Plenum.
„Wir wollen sichtbarer werden!“
Aus Sicht des Geschäftsbereichsleiters Personal skizziert anschließend Sebastian Kattner die künftige Recruiting-Strategie des Harzklinikums, benennt vorher aber auch einen konkreten Zeitplan für die Tarifverhandlungen mit ver.di. „Uns ist vollkommen bewusst, dass vor dem Hintergrund einer von vielen als ungerecht wahrgenommenen Gehaltsschere das ständige Verschieben der Tarifverhandlungen als negativ und unangemessen empfunden wurde. Es war zu keinem Zeitpunkt unser Ansinnen, die Gespräche zu verzögern. Dass es so lange gedauert hat, liegt im Wesentlichen an prozessimmanenten Gründen, die der Aufnahme von Verhandlungen vorausgehen.“ Nun werden aber am 11. Oktober und 1. November jeweils Verhandlungen stattfinden, die hoffentlich schnell zu einem befriedigenden Ergebnis führen werden. „Eine zügige Einigung sei angestrebt“, stellt Sebastian Kattner fest. Dass dieser Optimismus nicht von allen geteilt wird, macht der Einwurf von Schwester Sabine Kißner, die seit vielen Jahren auch im Betriebsrat tätig ist, deutlich. Sie gibt zu bedenken, dass der Einigungsprozess mitnichten innerhalb zweier Gesprächstermine abgeschlossen sein wird. Sie gehe davon aus, dass dies wesentlich länger dauern wird. Hier wird die Zukunft zeigen, wie sich die Chronologie der Ereignisse entwickeln wird.
Sebastian Kattner nimmt dies zum Anlass, ganz grundsätzlich festzustellen, dass, wenn Menschen im Klinikum gehalten und neue Fachkräfte und Expertise angeworben werden sollen, nicht nur die Frage von Lohn und Gehältern ein wesentliches Kriterium für die Attraktivität des Harzklinikums als Arbeitgeber sein kann. Wenngleich in den bevorstehenden Gesprächen ein attraktives Angebot seitens der Arbeitgeber natürlich Pflicht sei. Schließlich ist ein faires Gehalt immer auch ein Zeichen von Wertschätzung. Es gehe vielmehr auch darum, eine Strategie zu etablieren, die langfristig sicherstellt, Expertise auf das Harzklinikum zu vereinen und dort dauerhaft zu binden.
„Vielleicht sind wir zu lange zu leise gewesen“, stellt Sebastian Kattner fest, „deshalb ist es nun an der Zeit, aufmerksamkeitsstärker zu werden.“ Aus diesem Grund wurde ein Konzept entwickelt, mit dessen Hilfe fortan unterschiedliche Berufsgruppen auf völlig unterschiedlichen Wegen erschlossen werden sollen. Präsenz soll deshalb künftig sowohl auf Großplakaten der Region als auch im Bereich von Social Media erzeugt werden. Niedrigschwellige Bewerbungsformate soll es Interessierten ermöglichen, schnell und unkompliziert den Weg ins Harzklinikum zu finden.
„Wäre ich nicht optimistisch, wäre ich nicht mehr hier.“
Das berühmte Glas nicht immer nur halbleer, sondern auch einmal als halbvoll zu betrachten, dazu fordert Chefarzt Dr. Tom Schilling (stellv. ärztlicher Direktor in Wernigerode) in seinem Redebeitrag auf. „Viele aktuelle Szenarien hätte ich mir vor vielen Jahren in der Form nicht vorstellen können“, gibt er zu, „aber momentan gibt es keine Alternative zu den Veränderungen, die wir anpacken müssen. Wir können es uns nicht aussuchen.“ Dass jüngst ein Drittel des Personals der Abteilung gekündigt hätte, ist ein schwerer Schlag. „Aber wäre ich nicht optimistisch und davon überzeugt, dass wir uns qualitativ und quantitativ neu aufstellen können, wäre ich nicht mehr hier.“
Als positiven Aspekt führt Dr. Tom Schilling auf: „Zur Wahrheit gehört auch, dass wir von den Problemen der anderen profitieren.“ Dies belegen die steigenden Patientenzahlen. Weswegen es auch abwegig ist, darüber nachzudenken, Standorte zu schließen. Vielmehr sei jetzt eine standortübergreifende Zusammenarbeit gefordert. Diesen Gedanken greift auch Dr. Sabine Nehrkorn-Koch, die neue leitende Oberärztin der Nephrologie, auf. Beide bekräftigen die Notwendigkeit sektorübergreifenden Arbeitens und appellieren, aktiv gegen die pessimistische Stimmung anzugehen. Besonders wenn diese vor Auszubildenden bzw. Schülerinnen und Schülern offenbar würde, sei dies in hohem Maße kontraproduktiv. „Das hierarchische Denken zwischen der Pflege und der Ärzteschaft gehört eindeutig der Vergangenheit an“, schließt Dr. Tom Schilling, „wir müssen im Team denken und dürfen uns nicht herunterziehen lassen.“
Die Botschaft ist klar: Geschlossenheit und Teamgeist sind der Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg!
Auch in den nachfolgenden Redebeiträgen der Doctores Heiko Hütten (Hämatologie und Onkologie), Uta Schulze (Frauenheilkunde und Geburtshilfe), Torsten Mildner (Gefäßchirurgie) und Peter Nartschik (stellv. ärztlicher Direktor in Quedlinburg) zieht sich eine Botschaft wie ein roter Faden durch das Gesagte: „Es geht nur über das Miteinander“, konstatiert Dr. Uta Schulze. Folgerichtig forderte Dr. Heiko Hütten zuvor in seinem Beitrag, die Strukturen zu schärfen und somit die Region zu stärken. Beispielsweise durch die dauerhafte Etablierung des Krebszentrums oder die Kooperation mit niedergelassenen Ärzten. Frau C. Kutzner unterstreicht in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit eines mit Herzblut arbeitenden multiprofessionellen Teams. Dr. Torsten Mildner zeigt sich beeindruckt von der Arbeitsleistung, „die hier einige aufs Parkett legen.“ Und dankt im selben Atemzug dem gesamten Team und den benachbarten Fachschaften: „Sie alle tragen zur ausgezeichneten Arbeit und Patientenversorgung bei.“ Dr. Peter Nartschik appelliert noch einmal an das standortübergreifende Denken und attestiert, dass dieses bereits an vielen Stellen stattfindet und Früchte trägt. „Wir brauchen in Wernigerode eine Chirurgie. Dafür trete ich als Chefarzt der Allgemein-, Viszeral- und Tumorchirurgie ein.“
Sebastian Kattner schließt die Veranstaltung nach knapp 90 Minuten mit der Feststellung, dass dieses Zusammentreffen am heutigen Tage nur „ein erster Schritt gewesen sein kann“ und lädt die Anwesenden zum Dialog ein. „Suchen Sie das Gespräch mit uns, bevor etwas beginnt zu gären und die negative Stimmung obsiegt.“
Dialog ist also das Gebot der Stunde – und ein Zusammenhalt, der aktiv von allen Ebenen des Klinikums gelebt wird. „Wir sind doch ein Haus“, ist dann auch in den Gängen auf dem Weg zum Ausgang zu hören. Und das klang nicht einmal zynisch. Ein erster Schritt eben!
Harzklinikum Wernigerode MORGEN
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16. Oktober 2023
Es riecht nach gegrillter Bratwurst und bereitgestellte Sitzbänke laden im Sonnenschein zum Verweilen ein.